Kleidung – schützende Hülle und Statussymbol

Unsere Kleidung soll uns schützen, wärmen und bedecken. Sie ist auch immer Ausdruck unserer Persönlichkeit und oft Spiegel unseres sozialen Status. Neben ihrer grundsätzlichen Funktion (warum gibt es eigentlich den Begriff „Funktionskleidung“? Kleidung hat immer Funktion!) spielen bei der Auswahl unserer Kleidung auch unsere Werte und Vorlieben eine Rolle.

Früher wurde Kleidung hauptsächlich selbst gemacht oder speziell für mensch und Anlass geschneidert. Sie wurde oft repariert und/oder geändert und weitervererbt. Kleidung entstand also vom Nutzer ausgehend, es entstand eine Beziehung zwischen Nutzer und Rohstoff oder Hersteller.

Dieser Zusammenhang fehlt heute. Kleidung wird auf Vorrat und im Überfluss produziert, die Beziehung zu Rohstoff und Hersteller ging verloren.

Kleidung als Statuskennzeichnung war in früheren Zeiten auch schon mal streng reglementiert: Es gab Vorschriften, welche Stände welche Materialien für Knöpfe verwenden durften. Oder es gab unterschiedliche Kopfbedeckungen für verheiratete und unverheiratete Frauen. Diese offensichtlichen Kleiderregeln für den sozialen Status gibt es heute nicht mehr. Trotzdem sagt die Kleidung auch heute noch viel über Status, Beruf oder Hobby aus. Manche Subkulturen haben ihre eigene Kleidersprache, die Außenstehende nicht dekodieren können. Kleidung kann auch zur Unterdrückung einzelner Gruppen genutzt werden: Judenstern und Burka sind unrühmliche Beispiele.

Kleidung gehört zu den Grundbedürfnissen des Menschen neben Obdach und Nahrung. Jede*r braucht Kleidung, jede*r kauft Kleidung. Und das immer mehr und immer schneller.

Die Bekleidungsindustrie steht vor großen Herausforderungen: Von 2000 bis 2015 hat sich der Bedarf an Kleidung verdoppelt – auf ca. 62 Millionen Tonnen Kleidung pro Jahr (https://www.wwf.ch/de/unsere-ziele/wwf-rating-der-bekleidungs-und-textilindustrie). Studien gehen davon aus, dass die Menge an produzierter Kleidung bis 2030 sogar auf über 100 Tonnen jährlich steigen wird. Gleichzeitig werden Kleidungsstücke immer seltener getragen. 60% aller Deutschen geben an, mehr Kleidung zu haben, als sie benötigen. (https://emf.thirdlight.com/link/2axvc7eob8zx-za4ule/@/preview/1?o)

Textilien – zu viel, zu dreckig, zu weit weg, Ausbeutung inbegriffen

Deutschland ist einer der wichtigsten Absatzmärkte von Bekleidungstextilien. Wir importieren 9% der globalen Bekleidungsimporte. (Quelle: https://www.bmz.de/resource/blob/23426/2892c380a684998b33925799d23fb791/smaterialie410-roadmap-textilien-data.pdf) 90% davon werden unter prekären Bedingungen in Billiglohnländern des globalen Südens hergestellt. Kaufen wir ein Billig-T-Shirt beim Discounter, profitieren wir als Käufer*innen hierzulande vom weltweiten Lohngefälle. Und auch beim Kauf von Kleidung großer (und teurer) Marken nehmen wir die Ausbeutung von Mensch und Umwelt billigend in Kauf.

Zu dreckig

Andere Länder, andere Sitten – oder andere Gesetze zum Thema Umweltschutz.

Sauberes Wasser und fruchtbare Böden gibt es nicht zum Nulltarif. Auch die Kosten für Umweltauflagen müssen beim Kauf eines Kleidungsstücks mitbezahlt werden. In Ländern ohne diese Auflagen kann billiger produziert werden – auf Kosten der Umwelt und der Menschen vor Ort.

Die Problemfelder sind vielfältig: Wasserverbrauch und Pestizidbelastung bei Baumwolle, Mulesing bei australischen Schafen, Gewässerbelastung durch Färbereien, Ausbeutung, Missbrauch und gesundheitliche Belastungen der Arbeiter*innen, Kinderarbeit usw.

Zu weit weg

Transport und Arbeitskräfte sind andernorts so billig, dass es wirtschaftlich attraktiv scheint, Schafwolle in Australien einzukaufen, sie in China waschen zu lassen, in Italien zu spinnen, in Bangladesch zu färben, in Portugal zu verstricken und in Slowenien nähen zu lassen. Heute haben Kleidungsstücke meist mehr Kilometer hinter sich als ihre Träger*innen je reisen werden.

Zu unfair

Nicht zuletzt seit dem Einsturz des Fabrikgebäudes Plana Raza in Bangladesch, bei dem 2013 mehr als 1.100 Arbeiter*innen starben und weitere 2.000 verletzt wurden, sind die menschenunwürdigen Bedingungen der Textilproduktion im globalen Süden ein stetiges Thema in den Medien. Zur Befriedigung von westlichen Konsumwünschen werden Menschen in Billiglohnländern ausgebeutet. Zwangs- und Kinderarbeit sind keine Seltenheit. Die Mindestlöhne genügen bei weitem nicht, Arbeiter*innen sind oft ungeschützt hohen Gesundheitsrisiken ausgesetzt, soziale und ökonomische Absicherung existieren kaum. Dies betrifft mitnichten nur Fast Fashion Hersteller, sondern auch große Sport- und Luxusmarken, die ihre Kollektionen in den selben Fabriken und unter gleichen Bedingungen nähen lassen.

Zu viel

Es wird viel mehr Kleidung produziert als überhaupt gebraucht wird. Bis zu 4.500 neue Teile launchen Fast Fashion Giganten wie H&M und Asos pro Woche. Ultra Fast Fashion Produzent Shein toppt dies sogar mit bis zu 6.000 neuen Styles täglich! Die Deutschen kaufen viel mehr Kleidung als noch vor einigen Jahren, behalten diese jedoch nur halb so lange. (Quelle Mc Kinsey https://www.mckinsey.com/business-functions/sustainability/our-insights/style-thats-sustainable-a-new-fast-fashion-formula) Jährlich werden in der EU 5,8 Millionen Tonnen Kleidung entsorgt. Das sind rein rechnerisch 11,3 kg pro Person.  (Quelle: EU Textiles Fact Sheet). Und Deutschland liegt da deutlich über dem Durchschnitt.

Deutschland ist auch Weltmeister bei den Retouren aus dem Onlinehandel. Fast ein Drittel aller Bestellungen gehen wieder zurück (Quelle: Statista). Das verursacht nicht nur CO2 beim Transport. Oft ist die retournierte Ware anschließend nicht mehr verkaufsfähig und muss entweder aufwändig aufgearbeitet oder vernichtet werden.

Der stationäre Handel ist durch die Saison-Kollektionen gezwungen, immer wieder aktuelle Ware darzubieten. „Altes“ wird deutlich reduziert und wenn es dann immer noch nicht verkauft wird, vernichtet.

Zweite Liebe

Second Hand-Kleidung wäre eine gute Alternative. Denn es macht Sinn, die Nutzungsdauer bestehender Kleidung so weit wie möglich zu verlängern. Wäre da nicht das Qualitätsproblem. Die Kleidung ist in den letzten Jahren immer schlechter geworden, was Weitergeben oder Verkaufen nahezu unmöglich macht. Kursieren Kleidungsstücke aus den 80er-Jahren immer noch im Gebrauchthandel, sind Stücke aus den letzten Jahren kaum zu finden. Es sei denn, sie landen gleich ungetragen im Container. Das Problem liegt oft an der Materialzusammensetzung der Stoffe. Kunstfasern machen Stoffe zwar billig, darunter leidet aber oft die Haltbarkeit. Fast Fashion Produzenten setzen auf Quantität statt Qualität.

Ein weiteres Problem von Second Hand Kleidung ist, dass Second Hand Kleidung hauptsächlich im kleinen bis mittleren Größensegment vorhanden ist. Randgrößen steht oft nicht in einer ansprechenden Auswahl zur Verfügung. Gerade Personen mit großen Konfektionsgrößen werden beim Second Hand Shopping ausgeschlossen.

Initiative der EU-Kommission für nachhaltige und kreislauffähige Textilien

Das Textil-Problem ist in der Politik angekommen: „Die Kommission arbeitet derzeit an einem Übergangspfad für das Textilökosystem, um den grünen und den digitalen Wandel erfolgreich zu verwirklichen und das Ökosystem widerstandsfähiger zu machen.“ Die EU hat sich viel vorgenommen – wir sind gespannt und beobachten die Entwicklungen mit großem Interesse. Es ist offensichtlich, dass Bekleidung als wesentlicher Faktor zur Umwelt- und Klimakrise beiträgt. Der massenhafte Konsum von billiger (wertloser) Kleidung, die unter umweltschädliche und menschenverachtende Bedingungen hergestellt wurde, muss so schnell wie möglich reduziert werden. Wir warten nicht auf die Politik, sondern fangen schon mal an.

Was wir anders machen

Darum entwickeln wir Kleidung, die langlebig, reparierbar und kreislauffähig ist. Wir machen keinen Kollektionen und keine Massen, sondern genderneutrale Lieblingsstücke für weit mehr als eine Saison und mehr als eine Gelegenheit. Und das ganze on demand – also nach Bedarf, damit wir Überproduktion vermeiden und nichts vernichten müssen. Wir nutzen das, was vor unserer Tür wächst, produzieren so regional, wie es nur geht, und unterstützen mit unseren Produkten direkt die Schäfer*innen und ihre Schafe.

Schnickschnack und Sale suchst du bei uns vergebens. Unsere Kleidungsstücke sind heute genauso viel wert wie gestern und morgen. Wir finden nämlich, dass etwas nur dann wirklich nachhaltig ist, wenn es langfristig für alle gut ist. Das treibt uns an.

 

Reduce

Reuse

Repair

Recycle

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