Wolle ist nicht gleich Wolle

Es existieren hunderte verschiedener Schafrassen und alle haben unterschiedliche Wolle. Kurze, lange, gekräuselte, glatte, feine, feste usw. Und dann gibt es da auch noch „Wolle“, die offiziell gar keine Wolle ist. Nämlich das Tierhaar von Alpakas, Lamas, Angora-Kaninchen, Kaschmir- oder Mohair-Ziegen, Moschusochsen, Possums, Hunden und noch einigen anderen flauschigen Fellträgern. Bei uns geht’s ausschließlich um Schafwolle. Norddeutsche Schafwolle. Und die ist ein bisschen anders als das, was man derzeit so als „Wolle“ kennt und liebt. In den meisten derzeit am Markt befindlichen Kleidungsstücken aus Wolle steckt die bekannte und beliebte Merinowolle. Merino ist toll – keine Frage! – aber unsere Deichschafwolle kann auch was. Viel mehr sogar, als ihr in den letzten Jahrzehnten zugetraut wurde.

Deichschafwolle

Norddeutsche Wolle ist anders als australische Merinowolle. Hier gibt es andere Schafrassen und ein anderes Klima als in Australien, deshalb wachsen auch andere Fasern auf den Rücken unserer Rasenmäher. Im süddeutschen Raum tummeln sich meist deutsche Merinofleischschafe. Im Norden laufen als „Deichgebrauchsschafe“ etwas robustere Vertreter die Deiche auf und ab. Das Wetter ist rauer und nasser, das Wollkeid ist darauf eingestellt: die Fasern sind dicker, weniger gekringelt und weniger elastisch und das Vlies ist mit „Regen-Ablauf-Haaren durchsetzt. Diese Stichelhaare sind sogar noch gröber als der Rest. Merinogarne dagegen sind superfein, ganz ohne Stichelhaare und hochelastisch. Sie haben die deutsche Wolle fast komplett aus der Bekleidung verdrängt. Deshalb bekommen unsere Schäfer*innen hierzulande für die Deichschafwolle nur noch erschreckend wenig Geld. Die Wolle fällt als Einkommensquelle weg – meist ist die Schur teurer als der Wollerlös. Darüber haben wir hier schon einmal berichtet. Dieser Wertverlust führte dazu, dass in den letzten Jahrzehnten kaum noch auf die Wollqualität unserer heimischen Schafe geachtet wurde. Nicht bei der Schur und erst recht nicht bei der Zucht. Und so waren die geernteten Wollvliese tatsächlich oft nicht viel wert – die Katze beißt sich in den Schwanz… Um diesen Kreislauf zu durchbrechen, zahlen wir den Schäfereien schon im ersten Jahr einen kostendeckenden Preis für die Wolle und arbeiten dann weiter daran, die Qualität zu steigern durch verbesserte Sortierung und Arbeitsabläufe bei der Schur. Belohnt werden wir mit immer besseren Qualitäten, die wir deutlich über dem Marktpreis vergüten. Die Wolle kann so wieder zu einer Einkommensquelle der Schäfer*innen werden und wir bekommen einen richtig guten Rohstoff!

Wie macht man das Beste draus? – Verarbeitung, my ass!

Bisher galt der Standpunkt: Das Beste für Kleidung sind möglichst feine Fasern. Je dünner die Faser, desto dünner lässt sich ein Faden ausspinnen und desto fester lässt sich der Filz filzen bzw. desto weicher wird das Produkt. Deshalb ist der Faserdurchmesser oder die Feinheit die wichtigste Größe bei der Beurteilung der Rohwolle. Für Textiler ist alles unter 25 Micron Durchmesser „Merino”, egal von welcher Rasse die Faser kommt. Meist sind das aber tatsächlich Merinorassen. Landschafrassen haben i.d.R. 30-32 Mikron, gerne auch deutlich mehr. Die zweite wichtige Größe ist die Faserlänge (oder Stapellänge). Je länger je lieber, aber bitte nicht zu lang! Die Faserlänge legt fest, welche Verarbeitungen möglich sind. Wie sich letztendlich ein Pulli aus einer bestimmten Wolle trägt, lässt sich nur mit diesen zwei Werten aber nicht vorhersagen. Da spielen noch so Sachen wie Crimp, Faserverteilung, Biegefestigkeit, Schuppengröße, die Art der Luftkanäle und vor allem die Art der Verarbeitung eine große Rolle. Nach unserer Erfahrung ist die Faserfeinheit nicht unbedingt ausschlaggebend dafür, ob man aus einer Wollcharge ein geiles Produkt machen kann. Es kommt viel mehr darauf an, welches Produkt und welche Verarbeitung man wählt. Natürlich gibt es Grenzen. Aber man muss sich nicht von „32 Microns” abschrecken lassen. Wichtiger für die Qualitätsbeurteilung von Rohwolle ist die Sauberkeit der Wolle. Unsere Deichschafwolle ist also ganz anders ist als Merinowolle, und darum muss sie auch anders verarbeitet werden. Immerhin ist sie seit Jahrtausenden für Bekleidung genutzt worden. Warum sollte das heute nicht mehr gehen? Wir müssen einfach mal die Verarbeitung neu überdenken.

Das Garn, das es nicht gibt

Unser Vorteil als Nicht-Fachmenschen ist, dass wir vieles in anderen Zusammenhängen sehen und nichts als selbstverständlich nehmen. Schafe haben Wolle und die kann man verarbeiten. Fleischschafe werden wegen des Fleischertrags gehalten und ihre Wolle ist in der Zucht zweitrangig. Aber sie haben trotzdem Wolle. Und sie werden trotzdem geschoren. Und dann? Auf den Kompost damit? Wegen ein paar unerwünschter Stichelhaare? Was wenn man die Wolle so nutzt, dass diese Stichelhaare keinen Einfluss haben? Die Wolle der Schwarzkopfschafe ist immer noch lang genug, um daraus Kammgarn zu machen. Bei der Herstellung von Kammgarn werden die meisten der kurzen Fasern ausgekämmt. Heraus kommt ein weißes Garn, dass sich prima überfärben lässt. Ja, ein paar der schwarzen Stichelhaare bleiben drin, das fällt aber nur beim gelben Garn auf 😉 Und jetzt haben wir „plötzlich“ – also nach vielen Jahren des Tüftelns und Ausprobierens – ein Garn, das es gar nicht gibt, weil alle gesagt haben, dass das nicht geht. Tja, wir sind ziemlich angetan von unserem Garn, das es nicht gibt.

Wolle: regional, langlebig, kompostierbar – einfach nachhaltig!

Unsere Wolle ist ein textiler Rohstoff, der direkt vor unserer Haustüre wächst – und das jedes Jahr wieder. Eine Ressource, die einfach da ist. Norddeutsche Wolle muss nicht tausend Kilometer hinter sich bringen, bis sie als Lieblingspulli in deinem Kleiderschrank landet. Wir entwerfen unsere Kleidungsstücke so, dass sie möglichst lange halten und leicht zu reparieren sind. Wolle ist ein Material, das „gut altert“ und erstaunlich pflegeleicht ist, weil sie kaum knittert, nicht schmutzanfällig ist und nur sehr selten gewaschen werden muss. Sollte eines Tages doch einmal das Ende deines guten Stücks gekommen sein, kannst du es sogar kompostieren. Mikroplastik kommt uns nämlich nicht in den Jutebeutel und alles nicht kompostierbare Zubehör wie Knöpfe oder Reißverschlüsse kannst du ganz leicht entfernen. Im Idealfall wird dein altes Kleidungsstück so wieder zu Erde. Versuch das mal mit einem Fleecepulli aus Kunstfasern. 😉

Das Beste

Norddeutsche Wolle ist etwas Besonderes und wir holen das Beste aus ihr heraus. Wir produzieren unsere Kleidung radikal transparent und konsequent nachhaltig und das verstehen wir darunter:

  • Wir nutzen regionale Ressource und regionale Verarbeitung. Unsere Wolle und Kleidungsstücke müssen nicht weit reisen, um zu dir zu kommen.
  • Wir produzieren nach Bedarf, damit wir keine Überproduktion vernichten müssen.
  • Das Design unserer Kleidung ist bewusst minimalistisch, passt zu vielen Gelegenheiten und bleibt unbeeindruckt von aktuellen Trends.
  • Unsere Kleidungsstücke sind so konstruiert, dass sie besonders langlebig und leicht zu reparieren sind.
  • Sie enthalten kein Mikroplastik und sind darum restlos kompostierbar und kreislauffähig.

Gut gemachte Kleidung aus richtig guter Wolle ist einfach das Beste. Für alle.

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